Stellungnahme: Urteil des Bundesarbeitsgerichts zu ungewöhnlich hohen Abfindungen für Betriebsratsmitglieder

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat entschieden, dass ein Betriebsratsmitglied nicht unzulässig begünstigt wird, wenn es einem Aufhebungsvertrag gegen Zahlung einer ungewöhnlich hohen Abfindung zustimmt (Urteil vom 21. März 2018 – 7 AZR 590/16).

Im zugrunde liegenden Fall hatte ein Unternehmen den Vorsitzenden des Betriebsrats nach Bekanntwerden von Vorwürfen, er habe eine für den Betriebsrat tätige Assistentin sexuell belästigt, zunächst verhaltensbedingt außerordentlich gekündigt, sich dann aber mit ihm außergerichtlich auf einen Aufhebungsvertrag geeinigt, den Mitarbeiter bei Zahlung des Gehalts für 18 Monate freigestellt und eine Abfindung in Höhe von 120.000 Euro netto vereinbart. Nachdem die Abfindung ausgezahlt worden war, klagte der inzwischen von seinem Betriebsratsamt zurückgetretene Arbeitnehmer auf den Fortbestand seines Arbeitsvertrages. Er meinte, der Aufhebungsvertrag sei nichtig, weil er als Betriebsratsmitglied unzulässig begünstigt worden sei.

Dazu teilt Dr. Wolf-Tassilo Böhm, Fachanwalt für Arbeitsrecht bei Hogan Lovells in Frankfurt, mit: 

"Das Bundesarbeitsgericht schafft Rechtssicherheit für Fälle, in denen sich Unternehmen von einem Betriebsratsmitglied trennen wollen oder müssen. Betriebsratsmitglieder genießen einen Sonderkündigungsschutz, deshalb sind erhöhte Abfindungen gerechtfertigt. In diesem Fall ist das finanzielle Risiko wegen der in Betracht kommenden gerichtlichen Verfahren deutlich höher als bei Kündigungen anderer Arbeitnehmer ohne Sonderkündigungsschutz."

Hintergrund

Der 1962 geborene Betriebsratsvorsitzende war seit dem 18. März 1983 bei dem Unternehmen beschäftigt. Seit 1990 war er Mitglied des Betriebsrats, seit 2006 freigestellter Betriebsratsvorsitzender. Sein monatliches Gehalt belief sich Mitte 2013 auf 4.961,26 Euro brutto. Am 9. Juli 2013 leitete das Unternehmen beim Arbeitsgericht ein Zustimmungsersetzungsverfahren zur außerordentlichen Kündigung des Klägers ein. Anlass dafür war der Vorwurf, der Kläger habe die für den Betriebsrat tätige Assistentin sexuell belästigt. Am 22. Juli 2013 schlossen die Parteien außergerichtlich einen Aufhebungsvertrag. Danach endete das Arbeitsverhältnis einvernehmlich zum 31. Dezember 2015. Der Kläger wurde u.a. unter Fortzahlung seiner Vergütung freigestellt und erhielt eine Abfindung in Höhe von 120.000 Euro netto (189.000 Euro brutto). 

Mit Klage vom 21. Juli 2014 machte der Kläger beim Arbeitsgericht den Fortbestand seines Arbeitsverhältnisses über den 31. Dezember 2015 hinaus geltend. Seiner Auffassung nach habe der von ihm abgeschlossene Aufhebungsvertrag gegen das Begünstigungsverbot aus § 78 S. 2 BetrVG verstoßen und sei deshalb nach § 134 BGB nichtig. U. a. liege die vereinbarte Abfindungssumme deutlich über den nach §§ 9, 10 Kündigungsschutzgesetz für Abfindungen vorgesehenen Höchstgrenzen von 15 Monatsvergütungen, weshalb er in unzulässiger Weise wegen seiner Tätigkeit als Betriebsratsmitglied begünstigt werde.  

Sowohl das Arbeitsgericht als auch das Landesarbeitsgericht sahen unter besonderer Würdigung des Sonderkündigungsschutzes eines Betriebsratsmitglieds bei der finanziellen Ausgestaltung des Aufhebungsvertrages keinen Verstoß gegen § 78 S. 2 Betriebsverfassungsgesetz und wiesen die Klage des Betriebsratsvorsitzenden ab. Dem ist das Bundesarbeitsgericht gefolgt.


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