Betriebsrenten nach Scheidung

Betriebsrenten nach Scheidung

Pressemitteilungen | 26. Mai 2020

Die bisher anerkannte Berechnung der Anwartschaften aus einer betrieblichen Altersversorgung, die im Fall eines Versorgungsausgleichs zwischen dem versorgungsberechtigten Arbeitnehmer und dessen geschiedenen Ehepartner zu teilen sind, hat das Bundesverfassungsgericht heute trotz verfassungsrechtlicher Bedenken im Grundsatz bestätigt (Az. 1 BvL 5/18). Unternehmen können daher auch in Zukunft den geschiedenen Ehepartner eines Arbeitnehmers auf einen anderen Versorgungsträger verweisen, und müssen für den Ehepartner kein Anrecht im eigenen betrieblichen Versorgungswerk begründen. Die Familiengerichte müssen aber sicherstellen, dass das neu begründete Anrecht des geschiedenen Ehepartners nicht unangemessen niedriger ausfällt als das des versorgungsberechtigten Arbeitnehmers.

Dazu teilt Dr. Thomas Frank, Rechtsanwalt und Experte für betriebliche Altersversorgung bei Hogan Lovells in München, mit:

"Das Bundesverfassungsgericht unterscheidet zwischen den Vorgaben des Gesetzes, namentlich § 17 VersAusglG, und der Anwendung des Gesetzes, und stellte fest, dass die gesetzliche Vorschrift an sich nicht verfassungswidrig ist. Unternehmen können damit eine Sonderregelung in der betrieblichen Altersversorgung für Direktzusagen und Unterstützungskassen weiterhin in Anspruch nehmen, die es ihnen erlaubt, einen geschiedenen Ehepartner an einen anderen Versorgungsträger zu verweisen, wenn der im Versorgungsausgleich auszugleichende Betrag nicht höher ist als € 82.800, was in der Praxis häufig der Fall ist. Doch muss der neue Versorgungsträger ein Anrecht im derzeitigen Niedrigzinsumfeld aufbauen, was im Ergebnis zu niedrigeren Versorgungsleistungen führt als sie dem versorgungsberechtigten Arbeitnehmer im betrieblichen Versorgungssystem zustehen. Dadurch werden zwar die Eigentumsrechte der Eheleute berührt und faktisch werden Frauen benachteiligt, weil sie nach wie vor im Regelfall niedrigere Anwartschaften als Männer erwerben und daher einen Ausgleich vom Ehemann verlangen können. Doch das Verfassungsgericht räumt den Interessen der Unternehmen an einer möglichst einfachen Verwaltung und an dem Ausschluss betriebsfremder Personen vom eigenen Versorgungswerk den Vorrang ein. 

Zugleich stellten die Richter aber fest, dass bei Anwendung der gesetzlichen Sonderregelung das Anrecht des geschiedenen Ehepartners nicht unangemessen verringert wird. Es ist daher an den Familiengerichten, die verfassungsmäßigen Grenzen auszuloten, wenn sie die gesetzlichen Bestimmungen zum Versorgungsausgleich anwenden. Würde das neu begründete Anrecht im Verhältnis zum Anrecht des ausgleichspflichtigen Arbeitnehmers erheblich niedriger ausfallen, dürften die Familiengerichte diese Teilung nicht vornehmen. Wo diese Grenze liegt, hat das Verfassungsgericht nicht festgelegt, ein Abweichen von 10 % sei aber in Ordnung. Es ist damit zu rechnen, dass die Familiengerichte ihre Rechtsprechung anpassen werden, so dass die bisherigen Unterschiede in den Anrechten kleiner ausfallen werden. Das Gericht hält zudem fest, dass ein Unternehmen jedenfalls die Möglichkeit haben muss, den geschiedenen Ehepartner doch noch in das eigene Versorgungswerk aufnehmen, falls andernfalls das Familiengericht einen Versorgungsausgleich vornehmen würde, der einen aufwandsneutralen Kapitalabfluss nicht gewährleistet. Damit werden geschiedene Ehegatten faktisch vermutlich öfter in das Versorgungswerk des Arbeitgebers aufgenommen werden.



Hintergrund

Im Grundsatz erfolgt im Versorgungsausgleich eine interne Teilung, d.h. die Versorgungsanrechte werden in dem System ausgeglichen, in dem sie erworben werden – z.B. Anrechte in der gesetzlichen Rentenversicherung in der gesetzlichen Rentenversorgung, Betriebsrentenanwartschaften im betrieblichen Versorgungswerk. Das neu zu begründende Anrecht eines geschiedenen Ehepartners kann aber auch bei einem anderen Versorgungsträger begründet werden, sog. externe Teilung. Gegen den Wille des geschiedenen Ehepartners ist dies nur möglich, wenn der Ausgleichswert € 7.644 oder als Monatsrente € 63,70 nicht überschreitet (§ 14 VersAusgl). So sollen in Versorgungssystemen Kosten und Verwaltung für kleine Anwartschaften vermieden werden, weil diese in andere, bestehende Versorgungssysteme übertragen werden können. In der betrieblichen Altersversorgung gilt allerdings eine Sonderregelung für Unterstützungskassen und Direktzusagen. In diesen Fällen können Unternehmen bis zu einem weitaus höheren Ausgleichwert von derzeit € 82.800 entscheiden, ob sie den geschiedenen Ehepartner in ihr Versorgungswerk aufnehmen möchten oder der geschiedenen Ehepartner für eine externe Teilung einen anderen Versorgungsträger wählen soll (§ 17 VersAusglG). Dann begründet ein anderer Versorgungsträger die Anwartschaft für den geschiedenen Ehepartner, im Regelfall die gesetzliche Rentenversicherung, ein Versicherer oder die Versorgungsausgleichskasse, hinter der ebenfalls Versicherungsunternehmen stehen. Der Grund für diese Sondervorschrift ist, dass die Arbeitgeber bei einer internen Teilung die Verwaltung und die Ansprüche betriebsfremder Personen übernehmen müssten, wovon sie der Gesetzgeber befreien wollte.

Geschiedene Ehepartner eines versorgungsberechtigten Arbeitnehmers werden bei der externen Teilung von Betriebsrenten oft benachteiligt. Im Fall einer Scheidung sollen Betriebsrenten im Grundsatz zur Hälfte geteilt werden. Eine externe Teilung führt aber zu Transferverlusten. Denn der Arbeitgeber darf den Wert der Anwartschaft, die er aufteilt, mit dem relativ höheren Zinssatz aus die Handelsbilanz berechnen (§ 253 Abs. 2 HGB). Der Versorgungsträger hingegen errechnet die neu zu begründende Anwartschaft auf Grundlage der aktuellen niedrigen Kapitalmarktzinsen. Der Arbeitgeber errechnet eine relativ hohe Anwartschaft, wenn allerdings der geschiedene Ehepartner seine Hälfte dieser Anwartschaft als Kapitalwert heute bei einem anderen Versorgungsträger einbringt, erhält er dafür aufgrund der niedrigen Zinsen eine niedrigere Versorgungsleistung. Der Unterschied der Zinssätze führt dazu, dass nicht einmal mehr annähernd eine gleiche Aufteilung des Erworbenen gewährleistet ist. Laut Deutschem Anwaltverein sei es die Regel, dass nach einer Scheidung die Rente eines Ehepartners gerade einmal 50 % der Rente des anderen Ehepartners sei.

Das Bundesverfassungsgericht prüfte, ob durch die Eigentumsrecht der Eheleute verletzt werden oder eine unzulässige Ungleichbehandlung vorliegt. Schon Ende 2014 hatte die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen in einer Gesetzesinitiative versucht, die Sonderregelung für eine externe Teilung in der betrieblichen Altersversorgung aufzuheben. Der Bundesgerichtshof hielt diese Regelung hingegen (wie heute das Bundesverfassungsgericht) für zulässig (BGH, Beschluss vom 9. März 2016, XII ZB 540/14).