Nico Kuhlmann


Senior Associate
Hamburg

Unser Senior Associate Nico Kuhlmann hat sich eine Pause als Anwalt genommen. Was er in seiner Auszeit unternommen und erfahren hat, erzählt er im Interview. 

Lieber Nico, wie bist Du auf die Idee gekommen dir diese Auszeit zu nehmen? War das eher spontan oder schon ein langersehnter Wunsch?

Beides. Ich hatte immer im Kopf, dass ich noch einmal eine Auszeit vom Job fürs Reisen nehmen wollte. Und dann kam Corona, die Lockdowns und die Homeoffice-Zeit. Da wurde mir schnell klar, dass ich mal wieder raus an die frische Luft musste. Beim Jahreswechsel 2020/2021 habe ich dann den Entschluss gefasst und dem für mich zuständigen Partner am ersten Arbeitstag des neuen Jahres eine E-Mail geschrieben, dass ich in 2022 eine größere Reise machen werde. Wir hatten also ein Jahr Vorlaufzeit, um alles zu planen und praktisch umzusetzen.

Das Verlangen nochmal länger auf Reisen zu gehen, kennen bestimmt viele. Die fremden Länder dabei auf dem Rad unsicher machen zu wollen, ist dabei schon etwas ungewöhnlicher. Wie bist Du auf diese Idee gekommen?

Das war ein Prozess. Meine Ausgangslage war, dass ich nicht fliegen wollte. Früher bin ich ohne darüber nachzudenken ziemlich viel geflogen. Mittlerweile versuche ich vor dem Hintergrund der Klimakrise Flüge so weit wie möglich zu vermeiden. Dann wollte ich unabhängig sein und gern nicht nur von Stadt zu Stadt reisen, sondern auch die vielen schönen Stellen dazwischen entdecken. Irgendwann kam dann die Idee auf, mit einem Reiserad auf Tour zu gehen. So was  hatte ich vorher auch noch nie gemacht. Aber ich habe dann angefangen, mich zu informieren, und dann war schnell klar, dass das eigentlich genau das ist, worauf ich Lust habe.

8.200 Kilometer durch 16 Länder auf dem Fahrrad – ganz schön sportlich! Hast Du für diese Tour vorher bereits trainiert oder stellen wir uns das nur anstrengender vor als es eigentlich ist?

Ich habe bewusst kein Auto und fahre darum auch im Alltag viel Fahrrad. Ich habe dann zudem in den Wochen und Monaten vor dem Beginn meiner Reise auch im Fitnessstudio längere Einheiten auf den Cardiogeräten eingelegt. Aber eigentlich sind die ersten Tage und Wochen auf dem Rad das Training für die restliche Reise. Jeder, der mit dem Rad bis in die nächste Stadt kommt, kann losfahren. Wie anstrengend es dann wird, hat man dann selbst in der Hand. Meine längsten Touren waren circa 120 km am Tag. Da muss man dann schon ein wenig Druck auf die Pedale kriegen. Aber es zwingt einen auch niemand dazu. Wenn mein Körper müde war, die Straßenverhältnisse schlecht und das Wetter unangenehm, dann hab ich halt Pause gemacht und einen Kaffee getrunken oder den Tag direkt für beendet erklärt.

Bist Du abgesehen von der atemberaubenden Natur auch viel mit den Menschen der jeweiligen Orte in Kontakt gekommen?

Ja und Nein. Die Menschen sind außerhalb von Deutschland eigentlich alle immer sehr viel gastfreundlicher als wir Teutonen. Wenn ich mich beispielsweise auf dem Balkan in einem Dorf vor ein Café gesetzt habe, um kurz Pause zu machen, dauerte es in der Regel keine 30 Sekunden, bis irgendwer neben mir stand, sich vorstellte, wissen wollte, wer ich bin und mich auf einen Tee eingeladen hat. Am Anfang hab ich noch versucht, auch mal die anderen einzuladen. Keine Chance. Diese Begegnungen waren super nett, aber natürlich auch flüchtig. Irgendwann war die Pause vorbei und ich wollte weiter. In den größeren Städten, in denen ich in der Regel ein paar Tage verbracht habe, habe ich dann teilweise sehr interessante Menschen besser kennengelernt. Besonders schön war zudem, dass ich zwei Mal andere Radreisende getroffen habe und wir dann ein paar Tage zusammen gefahren sind. Aber den klaren Großteil der Reise habe ich allein auf dem Sattel gesessen.

Gab es den auch mal Probleme mit denen Du vorher so gar nicht gerechnet hast? Irgendwelche ungewöhnlichen Vorkommnisse?

Nein, eigentlich nicht. Ich war auch auf das Vorhersehbare eingerichtet: Platte reifen waren insbesondere in der Türkei ein größeres Problem. Aber dafür und für alle andere Probleme hatte ich eigentlich alles dabei: Zelt, Schlafsack, Isomatte, Erste-Hilfe-Set, Flickzeug, Gaskocher, Wasserfilter und eine Solarzelle. Wenn irgendwas war, hab ich einfach an Ort und Stelle mein Lager aufgeschlagen und versucht, das Problem zu lösen. So gesehen also genauso wie man in der anwaltlichen Praxis mit Problemen umgeht – gute Vorbereitung und dann mit Elan auf das Problem stürzen, wenn was passiert.

Was sind Deine wichtigsten Survival-Takeaways und wie nimmst Du das in dein Anwaltsleben mit?

Mein wichtigstes Survival-Takeaway ist vermutlich, dass man schon immer irgendwie überlebt. Die meisten von uns sind wahrscheinlich an Klimaanlagen, Kaffeevollautomaten und Pizzalieferdienste gewöhnt und können sich kaum vorstellen, dass man da draußen auch ohne diese Annehmlichkeiten der Zivilisation und auf sich allein gestellt in fremden Ländern außerhalb der großen Städte in der Natur überleben kann. Ich für mich hab erkannt, dass das eigentlich ganz gut geht und sehr viele sehr schöne Seiten hat – beispielsweise keine Termine, keine Fristen und keine Outlook-Benachrichtigen. 

Was hat sich für Dich durch diese Reise verändert?

Ich versuche jetzt gegenüber Fremden noch freundlicher und hilfsbereiter zu sein. Die Gastfreundschaft und Hilfsbereitschaft der Einheimischen überall auf der Reise war überwältigend. Da habe ich mich dann manchmal richtig schlecht gefühlt, weil ich mir gedacht habe, dass man in Deutschland als bärtiger und ungeduschter Ausländer auf einem Fahrrad, der die Landessprache nicht spricht, garantiert nicht so behandelt werden würde. Das hat mir echt zu denken gegeben, woran das liegt. Ich bin bisher zu keinem guten Ergebnis gekommen, aber mein persönlicher Entschluss für mich ist, dass ich versuchen werde, noch häufiger offen auf Andere zuzugehen und meine Hilfe anzubieten.


Vielen Dank für das Interview! 

 


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