Was bedeuten die neuen grünen EU-Standards für den Anleihemarkt, Herr Seitz?

Jochen Seitz
Jochen Seitz © Hogan Lovells

Regeln für „grüne“ Anleihen gibt es schon länger, etwa in Gestalt der "Green Bond Principles" der International Capital Markets Association (ICMA GBP). Seit Dezember 2023 ist aber auch eine EU-Verordnung über europäische grüne Anleihen in Kraft. Der "Green Bond Standard" (EU GBS) gilt ab Ende 2024. Querverbindungen gibt es zu den kommenden Anleihe-Regularien des EU Listing Acts, dort sollen nämlich verbindliche Regelungen zu den Prospektinhalten von europäischen grünen Anleihen aufgenommen werden.

Herr Seitz, Wozu braucht es nun ein neues EU-Rahmenwerk und welche zentralen Punkte ändern sich mit dem Green Bond Standard?

Grüne Anleihen sind essenziell für die Finanzierung von klimafreundlichen Projekten und nehmen eine zentrale Rolle in der Nachhaltigkeitsstrategie der Europäischen Kommission ein. Mit dem EU GBS verfolgt der europäische Gesetzgeber das ambitionierte Ziel, einen Rechtsrahmen für grüne Anleihen zu schaffen, der die Verwendung der Erlöse an die Taxonomieverordnung knüpft und mit anderen europäischen Regelungen wie der Prospektverordnung und der CSRD verzahnt ist. Hierdurch sollen Transparenz und Vergleichbarkeit erhöht und sog. „Greenwashing“ verhindert werden.

Wie auch die Anwendung der ICMA GBP, ist die Verwendung des Labels EU GBS freiwillig. Sobald eine Anleihe jedoch als „Europäische Grüne Anleihe“ oder „EuGB“ vermarktet wird, gelten die verbindlichen Regelungen des EU GBS. Im Grunde wird die unter den ICMA GBP gelebte Praxis in ein Fundament mit verbindlichem Charakter gegossen. Folgende dezidierte Anpassungen sind allerdings erforderlich, wenn Emittenten EuGBs emittieren wollen:

Emissionserlöse aus EuGBs müssen grundsätzlich vollständig in wirtschaftliche Aktivitäten investiert werden, die mit den Anforderungen der Taxonomieverordnung, welche durch technische Bewertungskriterien in delegierten Rechtsakten spezifiziert ist, übereinstimmen. Flexibilität gewährt die Regelung, dass Emittenten bis zu 15% der Erlöse für Wirtschaftstätigkeiten verwenden können, die nicht den technischen Bewertungskriterien der Taxonomieverordnung entsprechen müssen, wenn erstens zum Zeitpunkt der Emission die technischen Bewertungskriterien noch nicht vorliegen oder zweitens die Tätigkeiten im Einklang mit internationalen Standards stehen, die ebenfalls zu den Umweltzielen der Taxonomieverordnung beitragen. Das ist die sogenannte Flexibility Pocket.

Darüber hinaus treffen Emittenten von EuGB zur Schaffung von Transparenz und Vergleichbarkeit der zur Verfügung gestellten Informationen eine Reihe von Offenlegungspflichten. So ist vor der Emission ein Informationsblatt zu erstellen, welches wesentliche Informationen zur geplanten taxonomiekonformen Erlösverwendung und zur übergeordneten Nachhaltigkeitsstrategie des Emittenten enthält. Im Nachgang zur Emission sind ein jährlicher Allokationsbericht und ein Wirkungsbericht in standardisiertem Format zu erstellen. Diese Berichte sind außerdem der externen Prüfung durch bei der ESMA registrierte und durch diese beaufsichtigte Prüfer zu unterziehen und zu veröffentlichen.

Schließlich unterliegen Emittenten von EuGB sowie die externen Prüfer der regulatorischen Aufsicht wie auch der Sanktionsbefugnis der zuständigen Aufsichtsbehörde, in Deutschland also der BaFin, wodurch mehr Rechtssicherheit generiert werden soll.

Welche Details sind noch offen und bis wann werden diese geklärt sein?

Der EU GBS trat am 20. Dezember 2023 in Kraft und ist ab dem 21. Dezember 2024 anwendbar. Insbesondere hinsichtlich des Systems für die Registrierung und Beaufsichtigung externer Prüfer steht noch aus, dass ESMA der Europäischen Kommission technische Regulierungs- und Durchführungsstandards vorlegt, teils bis zur Anwendbarkeit im Dezember 2024, teils auch erst im Anschluss.

Zudem werden für Prospekte und Prospektzusammenfassungen von EuGBs Vorgaben zur Aufnahme von ESG-Angaben entwickelt werden. In Zusammenhang mit dem EU Listing Act wurde vereinbart, dass die Europäische Kommission und ESMA ermächtigt werden, Vorlagen zu erstellen, in denen ESG-bezogenen Informationen festgelegt werden, die künftig in Prospekten enthalten sein müssen. Im Fall von EuGBs ist zudem das Informationsblatt künftig per Verweis in den Prospekt aufzunehmen.

Darüber hinaus veröffentlicht die Europäische Kommission bis zum 21. Dezember 2024 Leitlinien zur Festlegung von Vorlagen für vor der Emission erfolgende freiwillige Offenlegungen zu als ökologisch nachhaltig vermarkteten Anleihen und zu an Nachhaltigkeitsziele geknüpften Anleihen.

Was ändert sich für Emittenten und Investoren bei Anleihen, die bereits als „grün“ emittiert wurden?

Bereits begebene Green Bonds sind nicht vom neuen EU GBS betroffen. Es wird künftig vielmehr zu einer Koexistenz von Green Bonds nach den ICMA GBP und EuGBs kommen und Emittenten, wie auch Investoren, obliegt die Entscheidung, welche Art von Green Bond sie wählen.

Aktuell sind die ICMA GBP der global führende Standard. Dies wird sich auch nicht ändern. Es bleibt aber spannend, ob sich daneben der EU GBS für die Emission von grünen Anleihen in der EU zu einem Marktstandard entwickelt. Dies wird auch davon abhängen, ob Emittenten einen ausreichenden Anteil von Vermögenswerten aufweisen, die mit den Anforderungen der Taxonomieverordnung übereinstimmen, und sich dem neuen Compliance-Aufwand stellen möchten.

Einige Emittenten sind bereits dabei, ihre Basisprospekte für die Emission von grünen Anleihen so zu aktualisieren, dass sie ab Anwendbarkeit des EU GBS EuGBs emittieren können. Die große Mehrheit wartet jedoch noch ab, auch weil die meisten Emittenten bei den internen Vorbereitungen für die Einhaltung der Taxonomieanforderungen noch nicht so weit sind.

Jochen Seitz ist Partner im Frankfurter Büro von Hogan Lovells und Mitglied des internationalen Capital-Markets-Führungsteams der Kanzlei. Er berät v.a. Investmentbanken, Finanzdienstleister und Emittenten bei Debt Capital Markets-Transaktionen und den damit verbundenen regulatorischen Fragen.

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