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Arbeitgeber sollten Arbeitnehmern bei Ausspruch einer fristlosen, hilfsweise ordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses stets vorsorglich Urlaub gewähren für den Fall, dass die fristlose Kündigung unwirksam sein sollte. Auf diese Weise kann eine finanzielle Doppelbelastung durch die Abgeltung von Urlaubsansprüchen vermieden werden.
Das Bundesarbeitsgericht (BAG vom 25. August 2020, Az. 9 AZR 612/19) hatte über eine Klage eines Arbeitnehmers auf Zahlung von Urlaubsabgeltung zu entscheiden. Die entscheidende Frage in diesem Verfahren war, ob der Arbeitgeber seinem Arbeitnehmer im Zuge der fristlosen, hilfsweise ordentlichen Kündigung wirksam Urlaub erteilt und gewährt hatte, mit der Folge, dass kein Abgeltungsanspruch entstanden war.
Der Arbeitgeber hatte seinem Arbeitnehmer eine fristlose, hilfsweise ordentliche Kündigung ausgesprochen. Im Kündigungsschreiben ordnete er an, dass dem Arbeitnehmer für den Fall, dass die fristlose Kündigung unwirksam sei, sein Resturlaub ab dem Tag nach Zugang der Kündigung, gewährt werde. Die Urlaubsvergütung werde dem Arbeitnehmer auf jeden Fall vorbehaltlos ausbezahlt. Die Auszahlung erfolge entweder als Urlaubsabgeltung bei erfolgreicher fristloser Kündigung, oder aber als Urlaubsentgelt, wenn nur die fristgerechte Kündigung wirksam sei und daher der Urlaub wirksam gewährt wurde.
Das folgende Kündigungsschutzverfahren endete im Wege eines Vergleichs, der eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses auf Grundlage der ordentlichen Kündigung vorsah. Der Arbeitgeber sollte die verbleibenden Bezüge des Arbeitnehmers abrechnen. Entgegen der Erwartung des Arbeitnehmers enthielt die Abrechnung aber keine Urlaubsabgeltung. Daraufhin verklagte der Arbeitnehmer den Arbeitgeber erneut. Dieser argumentierte ,,er habe dem Arbeitnehmer den (bezahlten) Urlaub bereits im Rahmen der Kündigung gewährt“.
Das BAG entschied für den Arbeitgeber. Eine solche vorsorgliche Urlaubsgewährung sei grundsätzlich zulässig. Voraussetzung sei jedoch, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer endgültig und unmissverständlich von seiner Arbeitspflicht befreie. Außerdem müsse der Arbeitgeber das Urlaubsentgelt entweder vor Urlaubsantritt auszahlen oder aber dessen Zahlung vorbehaltlos zusichern. Dass sich der Arbeitnehmer während seines Urlaubs unter Umständen nur eingeschränkt erholen könne, da er sich bei der Agentur für Arbeit sowie auf dem Arbeitsmarkt um seine berufliche Zukunft kümmern müsse, falle in den Risikobereich des Arbeitnehmers und ändere nichts daran, dass wirksam Urlaub erteilt worden sei.
Das BAG entwickelt mit seiner Entscheidung eine bereits bestehende Tendenz in der Rechtsprechung fort, vorsorgliche Urlaubsgewährung bei Kündigungen als zulässig zu erachten. Außerdem stellt das BAG klar, dass sich der Arbeitnehmer nicht darauf berufen kann, er habe während des Urlaubs Termine bei der Agentur für Arbeit wahrnehmen und sich um eine neue Arbeitsstelle kümmern müssen. Dass sich der Arbeitnehmer während seines Urlaubs nicht vollständig erholen konnte, ändert nichts daran, dass ihm der Arbeitgeber wirksam Urlaub gewährt hat.
Aus Arbeitgebersicht ist diese Entscheidung des BAG zu begrüßen, da es Raum für eine bemerkenswerte neue Praxis schafft. Es weist dem Arbeitgeber nämlich einen Weg, wie er in der Regel ohne finanzielle Mehrbelastung lästige Urlaubsansprüche abgelten und damit sogar Geld sparen kann. Dies belegt ein einfacher Vergleich der Ergebnisse mit oder ohne vorsorglicher Urlaubsgewährung:
Der Unterschied zeigt sich im Falle einer Prozessniederlage des Arbeitgebers:
Im Ergebnis kann der Arbeitgeber durch die vorsorgliche Urlaubsgewährung verhindern, im Falle einer Prozessniederlage sowohl Arbeitslohn als auch Urlaubsabgeltung an den Arbeitnehmer zu zahlen.
Es empfiehlt sich daher, der vom BAG genehmigten neuen Praxis zu folgen, da diese nur Vorteile bietet. Allerdings sollte ein besonderes Augenmerk darauf gelegt werden, das Kündigungsschreiben präzise zu formulieren, um zu vermeiden, dass die Urlaubsgewährung unwirksam ist.
Geschrieben von Eckard Schwarz.