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Am 1. April 2020 tritt ein Kündigungsausschluss für Mietverträge in Kraft, der Mieter bei Zahlungsverzug mit der Miete vor dem Verlust ihrer Wohnung oder Gewerbefläche schützt. Damit wird aber nicht schlicht ein sanktionsloser Zahlungsaufschub gewährt. Denn geschützt werden nur Mieter, die aufgrund der Pandemie tatsächlich einen akuten Liquiditätsengpass erleiden. Zudem bleiben die Mietzahlungen fällig und sind im Verzugszeitraum zu verzinsen. Ferner können die Mietsicherheiten vom Vermieter in Anspruch genommen werden. Vermieter müssen sich nicht einfach mit einem Verweis auf die Pandemie begnügen. Der Mieter muss vielmehr den Zusammenhang zwischen seinem Unvermögen zur Zahlung der Miete und den Auswirkungen der COVID-19-Pandemie glaubhaft machen.
Die COVID-19-Pandemie hat Deutschland weiter fest im Griff. Um die wirtschaftlichen Folgen für Mieter und Pächter zumindest etwas abzufangen, ist am 1. April 2020 Artikel 5 des Gesetzes zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht (nachfolgend „COVID-19-Pandemie-Gesetz„) in Kraft getreten.
Den Volltext des Gesetzes finden Sie hier.
Für Mieter und Vermieter ist insbesondere das in der Presse bereits viel beachtete zeitlich beschränkte Kündigungsverbot wegen Nichtzahlung fälliger Mieten für die Monate April bis Juni 2020 von Bedeutung. Dieses ist in Art 240 § 2 Abs. 1 EGBGB in der durch Art. 5 des COVID-19-Pandemie-Gesetzes geänderten Fassung normiert.
Der Wortlaut der neuen Bestimmung lautet:
Der Vermieter kann ein Mietverhältnis über Grundstücke oder über Räume nicht alleine aus dem Grund kündigen, dass der Mieter im Zeitraum vom 1. April 2020 bis 30. Juni 2020 trotz Fälligkeit die Miete nicht leistet, sofern die Nichtleistung auf den Auswirkungen der COVID- 19-Pandemie beruht. Der Zusammenhang zwischen COVID-19-Pandemie und Nichtleistung ist glaubhaft zu machen. Sonstige Kündigungsrechte bleiben unberührt.
Von Absatz 1 kann nicht zum Nachteil des Mieters abgewichen werden.
Die Absätze 1 und 2 sind auf Pachtverhältnisse entsprechend anzuwenden.
Die Absätze 1 bis 3 sind nur bis zum 30. Juni 2022 anzuwenden.
Was diese Bestimmung bedeutet – und was sie nicht bedeutet – ergibt sich aus der Gesetzesbegründung.
Der Gesetzgeber hat dem Mieter bewusst kein allgemeines Leistungsverweigerungsrecht in Bezug auf die Miete eingeräumt. Es wird derzeit intensiv diskutiert, ob die Pflicht zur Mietzahlung nach allgemeinen Grundsätzen entfallen oder jedenfalls gekürzt werden kann. Diskutiert werden insbesondere, ob ein Mangel der Mietsache, Unmöglichkeit der Gewähr des vertragsgemäßen Gebrauchs oder Störung der Geschäftsgrundlage zur Begründung der Einstellung oder Kürzung der Mietzahlung herangezogen werden können. Hierzu äußert sich der Gesetzgeber nicht. Das Gesetz unterstellt aber, dass die Mietzahlungspflicht im Grundsatz bestehen bleibt. Diese Einschätzung des Gesetzgebers wird daher die laufende Diskussion über Mietminderungsmöglichkeiten mitbestimmen.
Es ist freilich nicht ausgeschlossen, dass in Einzelfällen der Mietanspruch aus den genannten allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätzen entfällt oder gemindert ist. Man kann aber davon ausgehen, dass die Anforderungen daran hoch sein werden.
Der Gesetzgeber verbietet es dem Vermieter, seinem Mieter wegen Zahlungsverzuges zu kündigen, wenn (1) ein Zusammenhang zwischen dem Verzug und der COVID-19-Pandemie besteht und (2) der Verzug der „alleinige“ Grund für die Kündigung ist.
Wie genau muss also der Zusammenhang zwischen dem Verzug und der COVID-19-Pandemie aussehen? Genügt es, wenn der Mieter die allgemeinen wirtschaftlichen Folgen der Pandemie spürt? Besteht bereits ein Zusammenhang, wenn der Betrieb des Mieters aufgrund hoheitlicher Maßnahmen einzustellen ist? Der Wortlaut des Gesetzes lässt einen bloßen Kausalzusammenhang ausreichen.
Allerdings indizieren die genannten Umstände zunächst nur eine überwiegende Wahrscheinlichkeit, dass der geforderte Zusammenhang besteht. Worin dieser liegen muss, sagt schließlich erst die Gesetzesbegründung: Die Regelung soll vermeiden, dass Mieter den Verlust der Mietsache befürchten müssen, wenn sie vorübergehend die fälligen Mieten nicht fristgerecht zahlen können. Denn eigentlich haftet der Mieter, der aufgrund wirtschaftlicher Schwierigkeiten nicht leistungsfähig ist, auch dann, wenn er die zugrunde liegenden Umstände nicht zu vertreten hat. Nur von diesem Grundsatz, und nur in Bezug auf das Kündigungsrecht des Vermieters, soll durch die Vorschrift eine Ausnahme gemacht werden. Beruht die Nichtleistung des Mieters auf anderen Gründen, etwa weil er „zahlungsunwillig“ ist, soll die Kündigung hingegen nicht ausgeschlossen sein.
Leistungsunfähigkeit in diesem Sinne dürfte im Bereich der gewerblichen Mietverhältnisse vorliegen, wenn Zahlungsunfähigkeit im Sinne von § 17 InsO besteht. Darüber hinaus liegt nahe, dass auch eine drohende Zahlungsunfähigkeit des Mieters im Sinne von § 18 InsO ausreicht, wenn sie schon sehr kurzfristig (bspw. in wenigen Wochen, ggf. auch Monaten) droht. Denn dadurch würde auch der Mieter geschützt, der zwar noch im April seine Miete, dann aber im Mai die Löhne seiner Angestellten nicht mehr zahlen kann.
Die durch die COVID-19-Pandemie veranlasste Nichtzahlung muss auch alleiniger Grund für die Kündigung sein.
Kann ein pandemiebedingter Verzug also Anlass zur Kündigung geben, wenn er erst zusammen mit anderen Umständen ein Kündigungsrecht begründet? Könnte zum Beispiel die Kündigung auf den Verzug der März- und Aprilmiete gestützt werden?
Der Wortlaut und der Ausnahmecharakter des COVID-19-Pandemie-Gesetzes scheinen eine solche Kündigung tatsächlich zuzulassen. Allerdings bestimmt die Vorschrift auch, dass „sonstige Kündigungsrechte“ unberührt bleiben. Auch der Gesetzeszweck dürfte dafür sprechen, jeden Zahlungsverzug, der im Zusammenhang zur COVID-19-Pandemie steht, als Grundlage für eine Kündigung auszuschließen.
Eine Kündigung, die zumindest auch mit einem durch die Pandemie bedingten Zahlungsverzug im Zeitraum April bis Juni 2020 begründet wird, dürfte daher zumindest mit einiger Unsicherheit belastet sein.
Der Zusammenhang zwischen der COVID-19-Pandemie und dem Verzug muss nur glaubhaft gemacht werden (§ 294 ZPO). Damit werden die Beweisanforderungen für den insofern beweisbelasteten Mieter gesenkt, nicht aber die Anforderungen an den Zusammenhang selbst. Dies bedeutet insbesondere nicht, dass die in der Gesetzesbegründung genannten Beispiele, wie die Schließung des Geschäftsbetriebes des Mieters, immer ausreichen. Denn auch die Glaubhaftmachung des Mieters kann durch entsprechend glaubhaft zu machenden Gegenvortrag des Vermieters, etwa dass der Mieter liquiditätsstark, aber zahlungsunwillig ist, erschüttert werden.
Art. 240 § 2 Absatz 4 regelt schließlich die zeitliche Anwendbarkeit der Norm bis zum 30. Juni 2022. Damit haben Mieter vom 30. Juni 2020 an zwei Jahre Zeit, einen anderenfalls zur Kündigung berechtigenden Mietrückstand auszugleichen. Das bedeutet aber zugleich, dass Vermieter nach diesem Tag wieder kündigen können, sollte ein Ausgleich fälliger Mietzahlungen nicht erfolgt sein.
Bei anhaltender Krise kann der zeitliche Anwendungsbereich der Vorschrift weiter ausgedehnt werden. Die Bundesregierung hat dann die Möglichkeit, die Kündigungsbeschränkung auf Zahlungsrückstände zu erstrecken, die in dem Zeitraum vom 1. Juli 2020 bis längstens zum 30. September 2020 entstanden sind. Auch eine Verlängerung über den 30. September 2020 hinaus ist bei anhaltender Beeinträchtigung möglich.
Verfasst von Dr. Martin Haase, Sabine Adams, and Maria Weiss.